Schweizerdeutsch ist das Deutsch, das in der Schweiz gesprochen wird. Heute wollen wir uns die Sprache einmal genauer ansehen und herausfinden, was sie so besonders macht und worin die Unterschiede zum Hochdeutschen liegen. Wenn Sie als Nicht-Muttersprachler Deutsch lernen, wird man Ihnen normalerweise empfehlen mit dem in Deutschland gesprochenen Deutsch zu beginnen, da dieses am klarsten ausgesprochen wird (je nach Region natürlich – gemeint ist das Hochdeutsch). Genauso wie es in Deutschland Dialekte gibt, die für einen Anfänger schwer verständlich sein können, gibt es auch den österreichischen und schweizerischen Sprachraum mit seinen Besonderheiten. Dies könnte für Sie nützlich sein, wenn Sie auf Geschäftsreise in der Schweiz sind, aber auch wenn Sie sich dazu entschliessen einen Sprachkurs in der Schweiz zu machen. In der Sprachschule wird man zwar Hochdeutsch lehren, aber auf der Strasse verstehen Sie dann wahrscheinlich erstmal gar nichts, wenn alle Welt Schweizerdeutsch spricht. Wie klingt es denn nun genau, das Schweizerdeutsch?
Eine kleine Einführung ins Schweizerdeutsch
Fangen wir mit einem einfachen aber prägnanten Beispiel an, um uns den doch relativ grossen Unterschied zwischen Hochdeutsch und dem, wenn auch grossteils nur in der gesprochenen Sprache, völlig anderen Schweizerdeutsch anzusehen:
Schweizerdeutsch: Min Nama isch Kristina.
Was heisst denn das nun? Es ist wohl relativ leicht zu erraten.
Auf Hochdeutsch heisst es natürlich: Mein Name ist Kristina.
Aber Sie sehen sofort den Unterschied. Wenn Sie sich das Ganze auch noch phonetisch vorstellen, wird bald klar, dass Schweizerdeutsch für jemand mit ungeübtem Ohr nicht besonders verständlich, und in normaler Sprechgeschwindigkeit und mit komplexeren Sätzen gesprochen, eher schwer verständlich ist.
Selbst ich als Österreicherin verstehe die Schweizer schlecht bis gar nicht, wenn Sie sich in normaler Sprechgeschwindigkeit unterhalten. Genauso wie viele Deutsche oder Schweizer einen richtig österreichischen Dialekt wie das Steirische schwer oder gar nicht verstehen können. Oder ein Österreicher mit dem Schwäbischen oder Sächsischen in Deutschland Probleme haben wird.
Hier noch zwei weitere einfache Sätze, um den Unterschied zum Hochdeutschen zu verdeutlichen:
Von wo kunsch du? – Von wo kommst du?
Wonsch du do? – Wohnst du hier?
Achtung, die schriftliche Sprache ist auch in der Schweiz immer Hochdeutsch, auch wenn sich selbst in grossen Zeitungen natürlich lokale Ausdrücke befinden werden, was aber so ziemlich in allen Ländern, die dieselbe Sprache aber unterschiedliche Dialekte teilen, der Fall ist. Sehen wir uns die Schweiz einmal im Überblick an und kommen dann wieder zum Schweizerdeutsch und seinen Besonderheiten zurück.
Die Schweiz und ihre Regionen
In der Schweiz gibt es 7 Regionen, welche insgesamt 26 sogenannte Kantone beinhalten:
- Région lémanique
- Espace Mittelland
- Nordwestschweiz
- Zürich
- Ostschweiz
- Zentralschweiz
- Tessin
Innerhalb dieser Regionen wird ausser Schweizerdeutsch auch Französisch, Italienisch und Rätoromanisch gesprochen.
- 3 Kantone sind zweisprachig: in Bern, Freiburg und im Wallis spricht man Deutsch und Französisch.
- Im Tessin und in 4 südlichen Tälern Graubündens wird Italienisch gesprochen.
- Der Kanton Graubünden ist mehrsprachig. Man spricht dort Deutsch, Italienisch und Rätoromanisch.
Das heisst Sie werden in 21 Kantonen auf Schweizerdeutsch stossen.
Schriftliche Unterschiede zwischen Schweizerdeutsch und Hochdeutsch
Orthographische Unterschiede und grammatikalische Fälle
- Auf Grund der Mehrsprachigkeit in der Schweiz, werden im Land oft lateinisch beeinflusste Wörter verwendet. Im Deutschen gibt es zum Beispiel drei verschiedene Schreibweisen für einen tiefen Ausschnitt an einem Damenkleid: Dekolleté, Dekolletee, Décolleté. Letztere ist die Schreibweise, wie sie in der Schweiz verwendet wird. Ein weiteres Beispiel ist die Karosserie, die in der Schweiz die französische Schreibweise und das zweite R beinhaltet: Carrosserie.
- Im Schweizerhochdeutschen gibt es im Unterschied zum Hochdeutschen bei Präpositionen eine ausgeprägte Tendenz zum Dativgebrauch. Die folgenden Präpositionen werden im Schweizerhochdeutschen mit dem Dativ gebildet, im Hochdeutschen meist mit dem Genitiv:
- wegen
- trotz
- während
- wegen
- Wenn Sie regelmässig Korrespondenz mit deutschen Geschäftspartnern führen, wird Ihnen Folgendes bereits aufgefallen sein: Während Sie als Schweizer die Gewohnheit haben, nach der Anrede kein Satzzeichen zu setzen und den Text gross anzufangen, ist es in Deutschland üblich, ein Komma zu setzen und den Text klein zu beginnen.
Typographische Unterschiede zwischen Hochdeutsch und Schweizerdeutsch
- Die Schweiz orientiert sich bei Anführungszeichen an Frankreich und Italien und verwendet die Guillemets: «…».
- In Deutschland verwendet man jedoch diese Anführungszeichen: „…“.
- Uhrzeiten werden in der Schweiz mit einem Punkt geschrieben (10.45), in Deutschland ist die Schreibweise mit Doppelpunkt üblich (2:15).
- Abstände zwischen mehrstelligen Zahlen: in der Schweiz wird das schräge Apostroph verwendet (’), in Deutschland ein Festabstand, bei Geldbeträgen aber ein Punkt.
- Bei Geldbeträgen wird in der Schweiz nach einem Preis ein Punkt und ein Gedankenstrich gesetzt (CHF 350.–), in Deutschland ein Komma und ein Bindestrich (€ 420,-).
Unterschiede bei den Verben im Schweizerdeutschen
In der Schweiz sind Sie gerne an der Bar gestanden. Auch sind Sie auf einer Bank gesessen. Im Hochdeutschen allerdings haben Sie an der Bar gestanden und Sie haben auf der Bank gesessen. Im Schweizerhochdeutschen bilden die Verben setzen, stellen, legen das Perfekt mit sein, während sie im Hochdeutschen das Modalverb haben verwenden.
In der Schweiz steht ausserdem nach dem Verb sehen die Präposition zu, nicht nach. Ein Sprecher in Deutschland oder Österreich wird nach seinem Kind sehen, während der Schweizer zu seinem Kind sieht. Eltern tragen darüber hinaus Sorge zu ihrem Nachwuchs und nicht wie im Hochdeutschen, Sorge für ihren Nachwuchs.
Ebenfalls in diese Kategorie unterschiedlicher Konstruktionen fallen:
- es hat noch Bier (Kartoffeln etc.) im Keller (es gibt noch Bier im Keller)
- ich habe kalt (mir ist kalt)
Unterschiedliche Artikel im Schweizerdeutsch
Hier eine kleine Auswahl an in der Schweiz unterschiedlichen Artikeln:
- (Schweiz) das Email / (Deutschland) die Email
- der Drittel, Viertel (im Sinne von dritter, vierter Teil) / das Viertel
- die Spargel / der Spargel
- die Foto / das Foto
- das SMS / die SMS
- das Tram / die Tram
- der Radio / das Radio
Unterschiede in der Pluralbildung zwischen Hochdeutsch und Schweizerdeutsch
Auch die Pluralbildung mancher Substantive unterscheidet sich im Schweizerdeutschen vom Hochdeutschen:
- der Park, Hochdeutsch: die Parks, seltener Parke, Schweizerhochdeutsch: die Pärke,
- der Kragen, Hochdeutsch: die Kragen, Schweizerhochdeutsch (auch Süddeutsch und Österreichisch): die Krägen,
- das Departement, Hochdeutsch: die Departements, Schweizerhochdeutsch: die Departemente.
Der Einfluss des Französischen in der Schweiz
Besonders das Französische hat auf das Schweizerhochdeutsch einen großen Einfluss. Das hochdeutsche Wort Kommissar zum Beispiel wird basierend auf dem französischen Wort commissaire als Kommissär bezeichnet. Andere französische Ausdrücke sind 1:1 übernommen worden, wie zum Beispiel:
- merci (= danke),
- d’accord (= einverstanden),
- Velo (= Fahrrad)
Lehnwörter im Schweizerdeutschen
Man darf sich als Deutscher oder Österreicher nicht wundern, wenn ein schweizerdeutscher Muttersprachler seine Wäsche in den Tumbler statt in einen Wäschetrockner gibt oder seine Haare beim Coiffeur statt bei einem Friseur schneiden lässt. Im Schweizerhochdeutschen werden durch den Einfluss mehrerer Fremdsprachen teils andere Lehnwörter verwendet. Deshalb sind ins Schweizerhochdeutsch mehr Ausdrücke eingegangen, die dem Französischen, Italienischen, Englischen und Lateinischen entlehnt sind.
Unterschiede bei den Redewendungen
Oft unterscheiden sich schweizerhochdeutsche und hochdeutsche Redewendungen. Das kann einen ein wenig ratlos machen, und zwar auf beiden Seiten. Zum Beispiel: So wie der Schweizer wie der Esel am Berg steht, steht der Deutsche wie der Ochs vorm Berg. Hier noch ein paar weitere Beispiele, von denen Sie eine noch größere Liste auf Wikipedia unter den sogenannten Helvetismen finden (Helvetia ist die vom Volksstamm der Helvetier abgeleitete neulateinische Bezeichnung für die Schweiz und eine allegorische Frauenfigur, welche die Schweiz bzw. die Eidgenossenschaft versinnbildlicht).:
- weder Fisch noch Vogel (weder Fisch noch Fleisch; nicht konsequent; uneindeutig; nichts Richtiges)
- das Fuder überladen (des Guten zu viel tun)
- es hat solangs hat (es gibt etwas, solang der Vorrat reicht)
- Jetzt ist genug Heu unten! (Jetzt reicht es!)
- neben den Schuhen stehen (falschliegen; sich nicht wohlfühlen in seiner Haut; außer sich sein)
- keinen Wank tun/machen (sich nicht rühren, keinen Mucks machen)
- Französische Akzente weltweit
- Spanische Slangausdrücke aus Lateinamerika
- Verbessern Sie Ihr Portugiesisch mit brasilianischen Serien
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